Predigten

Vom Spagat des Bebauens und Bewahrens in der Landwirtschaft (Predigt Dossenheim 5.7.2020)
Rolf Brauch, KDL- Regionalbeauftragter

Liebe Schwestern und Brüder,

Zwischen landwirtschaftlicher Tätigkeit und industrieller Produktion bestehen trotz moderner Technik unverändert wesentliche Unterschiede. Sie beruhen darauf, dass nicht Landwirte produzieren, sondern eigentlich Pflanzen und Tiere. Eier, Milch und Getreidekörner werden nicht in geschlossenen industriellen Produktionsprozessen produziert wie etwa Autos, sondern von lebendigen Tieren und Pflanzen. Tiere und Pflanzen kann man nicht einfach so machen. Sie wachsen oder auch nicht – mal besser oder schlechter, mal mehr oder auch weniger – wenn Landwirte Samen in die Ackerfurche legen oder Muttertiere der Befruchtung zuführen. Martin Luther schreibt dazu: Wenn Du gleich hundert Jahre pflügst und aller Welt Arbeit tätest, so könntest Du doch nicht einen Halm aus  der Erde wachsen lassen.

Leben ist nicht einfach machbar – es bleibt ein Geheimnis, die Verfügbarkeit bleibt Gott vorbehalten und es steht unter dem Segen und der Verheißung Gottes. Gerade auch der Klimawandel macht diese Nicht-Machbarkeit für uns als moderne Menschen zu einer schmerzhaften und ärgerlichen Erfahrung. Leben und Lebensmittel sind keine reine Managementaufgabe.

Solange die Erde steht wird nicht aufhören…Saat und Ernte. Davon leben wir immer noch und immer wieder – nicht von Smartphones oder Aktien…

Die einzige materielle Bitte im Vater Unser ist die Bitte um das tägliche Brot und Martin Luther in seiner unverwechselbaren Weise schreibt dazu: Gott gibt das tägliche Brot auch ohne unsere Bitte allen bösen Menschen, aber wir bitten in diesem Gebet, dass er es uns erkennen lasse…

Der russische Philosoph Berdjajew sagt dazu: Die Bitte um mein tägliches Brot ist eine materielle Frage, die Bitte um das Brot meines Bruders eine geistliche.

Damit alle Menschen auf dieser Erde ihr tägliches Brot bekommen, braucht Gott den Landwirt.

Landwirte erfüllen in einer arbeitsteiligen Volkswirtschaft den Auftrag des Bebauens und Bewahrens dieser Schöpfung stellvertretend für uns alle. Dabei hat man diesen Herrschaftsbefehl – macht Euch die Erde untertan- oft missverstanden. Es geht wie bei dem Herrschaftsbefehl um die Fürsorge und Pflege dieser Erde, nicht um Ausbeuten. Der Theologe Härle schreibt dazu: Der Mensch soll als Ebenbild Gottes die Schöpfung treuhänderisch verwalten. Der Freiheit der Nutzung der Schöpfungsgaben sind daher Grenzen gesetzt.

 Landwirte sollen Bedingungen für Wachstum schaffen – und zwar so, dass alle Menschen und auch spätere Generationen auf dieser Erde leben und satt werden können.

Der Auftrag lautet daher auf Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung – so würden wir heute modern formulieren. 

Nachhaltigkeit ist keine Erfindung der Forstwirtschaft wie wir oft glauben, sondern es steht im Alten Testament (5.Mose 22,6) dieser Satz: Wenn Du ein Vogelnest findest, darfst Du die Jungen nehmen, aber die Mutter sollst Du fliegen lassen!

Die Fruchtbarkeit der Erde soll erhalten bleiben- das ist die klare Botschaft.

Wenn wir heute von Nachhaltigkeit reden, hat das neben dem ökologischen Aspekt aber immer auch einen ökonomischen und sozialen Aspekt.

Landwirt ist damit oft ein selbstentzweiter Beruf wie es Albert Schweitzer treffend formulierte: Er muss Leben schützen, aber auchnützen. Gott hat ihm die Erde zur verantwortlichen Nutzung übertragen!

Landwirt ist ein Beruf, gewiss mit einem hohen Maß an Berufung, aber Landwirte leben auch von ihrem Beruf im ganz materiellen Sinn. Deutlich wird mir das immer wieder bei der Frage an Landwirte wie lange ihre Arbeitszeit wäre: Von 8-17 Uhr, der Rest wäre Hobby – sagen sie oft!

Denn gut leben könne viele heute seit langem nicht mehr davon:

Einige Fakten:

– Arbeitszeiten von durchschnittlich 60 Stunden gerade in Tierhaltungsbetrieben

– ein seit Jahrzehnten deutlich geringeres Einkommen wie vergleichbare Berufsgruppen bei einem enormen Kapitaleinsatz

– stark schwankende Preise – bei Milch in den letzten Jahren zwischen 23 und 42 Cent

– ein riesiger Dokumentationsaufwand und eine ausufernde Bürokratie

Ein Agrarökonom hat das vor 100 Jahren so formuliert: Landwirt sein ist Lebensinhalt und Lebensunterhalt gleichermaßen.

Wir – die Gesellschaft und insbesondere auch kirchliche Gruppen – fordern heute deutliche Veränderungen in der Landwirtschaft. Und hier zeigt sich das Spagat, hier zeigt sich die Janusköpfigkeit von Landwirtschaft: Sie ist ein entscheidender Faktor für die Lösung unserer Zukunftsaufgabenwie die Erhaltung der Artenvielfalt oder des Ressourcenschutzes aber eben auch ein Verursacher mancher Probleme wie das Nitratproblem im Grundwasser.

Diese unbestrittene Aussage wird die Landwirte massiv ärgern, weil sie diese auf sich selber beziehen im Sinne von Schuldvorwürfen. Bei allen schwarzen Schafen, die es auch in der Landwirtschaft gibt, geht es mir dabei um die Feststellung: Die Rahmenbedingungen, unter denen heute Landwirtschaft stattfindet, sind falsch. Oder anders: Landwirte müssen aus ökonomischen Gründen die Erde intensiver nutzen als es ökologisch sinnvoll ist.

Um es theologisch zu sagen: Wir müssen alle einen Beitrag leisten, damit Landwirte die Gewalt der Schöpfung gegenüber auf ein Maß beschränken könne, das ethisch vertretbar und nachhaltig ist, ohne dabei ihre eigene Existenz zu gefährden.

Das ist die Aufgabe – diesen Spagat zu wagen.

Keine Veränderungen zu wollen ist genauso falsch wie sie nur auf dem Geldbeutel und Rücken der Landwirte auszutragen.

Die Agrardenkschrift der EKD von 1984 hat dies so formuliert: Landwirtschaft im Spannungsfeld von Ökologie und Ökonomie.

Weniger Intensität im Feld und im Stall ist geboten, wir haben die Grenzen der Nachhaltigkeit ja wir haben die planetaren Grenzen deutlich überschritten.

Das sehen wir zurzeit ganz deutlich im Bereich der Tierhaltung. Das geht von der Tierhaltung im engeren Sinn wie Flächenbedarf für unsere Mitgeschöpfe -die Tiere- über die Verwertung tierischer Dünger, über die Fleischverarbeitung bis hin auf unseren Grill. Diese notwendigen Veränderungen kosten aber nicht nur ein paar Cent! Und wir sind alle gefordert diese Veränderungen nicht nur zu fordern, sondern einen eigenen Beitrag zu leisten. Wir sind oft gute Wegweiser- wir weisen anderen den Weg ohne ihn selbst zu gehen!

Verhaltensänderungen setzen, damit sie nachhaltig sind, einen Haltungswechsel voraus.

Tiere sind Mitgeschöpfe, nicht Produktionsfaktoren.

Der Preis dafür ist hoch – so schätzt der Sachverständigenrat den Betrag auf ca. 5 Mrd. € pro Jahr nur für den Umbau der Tierhaltung, Ganz konkrete Vorschläge, die uns alle dabei in die Pflicht nehmen, machte die sogenannte Borchert Kommission. Wir müssen Landwirten, die aufgrund geltender Bedingungen viel Geld in die Hand für neue Stallanlagen genommen haben, entsprechend „entschädigen“. Das ist nur recht, aber nicht billig! Leider passiert da gerade nichts!

Appelle nützen einfach nichts! Es helfen – leider – nur klare Rechtsvorschriften und eine andere Bepreisung.

Und ja: Veränderungen bringen auch Verluste und Schmerzen mit sich – das sollten wir ganz ehrlich auch sagen.

Und gerade deswegen sollten wir die Lasten dieser Veränderungen gut biblisch auch gemeinsam tragen – einer trage des anderen Last!

Leider brauchen Veränderungen wie gerade jetzt in der Fleischwirtschaft anscheinend oft Krisen.

Lasst uns im Zeichen des Regenbogens diese Erde bebauen und bewahren, indem wir als GmbH – Gemeinschaft mit begründeter Hoffnung- starke Zeichen setzen für einen neuen Lebensstil der Schöpfungsbewahrung aber auch der Solidarität mit unseren Landwirten. Denn die gesamte Schöpfung hat die Verheißung der Erlösung!

Amen!